Verschwörungstheorien zur „Auflösung des Volkes“


Von Linda Janssen 13.12.2019 –

Beim „Hermannstreffen“ des „Alternativen Kulturkongressses Deutschland“ in Ostwestfalen-Lippe referierten fünf Redner des AfD-„Flügels“ für „Deutsche Souveränität und deutsche Interessen“. Dabei wetterten sie unter anderem gegen Migranten und stellten Verschwörungstheorien zu einer angeblichen Fremdbestimmung Deutschlands auf.

Mit etwas Verspätung: Referent Armin-Paul Hampel wird am Hotel Schniedermann von Karl-Heinz Tegethoff und anderen in Empfang genommen; Photo: Linda Janssen

Auf Facebook posieren zahlreiche Besucher der Veranstaltung gemeinsam mit den Referenten auf verschiedenen Fotos und loben die Veranstaltung, die am vergangenen Samstag im Hotel Schniedermann in Schloß Holte-Stukenbrock (Kreis Gütersloh) stattgefunden hat. Das so genannte „Hermannstreffen“ des AfD-nahen Vereins „Alternativer Kulturkongress Deutschland“ fand damit zum zweiten Mal in Ostwestfalen-Lippe statt. Auch dieses Mal referierten Redner die der völkisch-nationalistischen Gruppierung „Der Flügel“ innerhalb der AfD zuzuordnen sind. Das Treffen war zuvor im Internet ohne genauen Veranstaltungsort konspirativ für den „Raum Ostwestfalen“ angekündigt worden. 

Hinter dem Thema der Veranstaltung „Deutsche Souveränität und deutsche Interessen“ steht laut Ankündigungstext des „Alternativen Kulturkongresses“ die Annahme, dass Deutschland von anderen Staaten – insbesondere den USA – beeinflusst beziehungsweise dominiert werde. „Fremde Streitkräfte mitsamt deren Kernwaffen und Geheimdiensten“ seien noch immer in Deutschland, heißt es im Text. Weiter ist die Rede von „westlichen Geheimdiensten“, die Telefone abhören würden. Der deutsche Staat, der „sein eigenes Staatsvolk auflöst“ und „Kriminalität nicht mehr verfolgt […] aber wie selbstverständlich Andersdenkende und Dissidenten umso härter und konsequenter verfolgt“, zerstöre dadurch seine Staatsgewalt.  Der Text gibt ein sehr verzerrtes bis verschwörungslastiges Bild von staatlicher Souveränität sowie der Rechtsstaatlichkeit Deutschlands wieder, das sich in den nach der Veranstaltung veröffentlichten Reden der Referenten widerspiegelt und fortsetzt.

Redebeiträge gegen Migration und Gender

Als Referenten hatte der „Alternative Kulturkongress“ Armin-Paul Hampel, Jens Kestner, Oliver Kirchner, Christian Blex und Dubravko Mandic angekündigt. Hampel ist Mitglied des Bundestags für die AfD und gehört dem rechten Parteinetzwerk „Goslarer Runde“ innerhalb der AfD an. Kestner sitzt ebenfalls für die AfD im Bundestag und ist, wie Kirchner (AfD Sachsen-Anhalt) und Blex (AfD NRW) dem völkisch-nationalistischen „Flügel“ der AfD zuzuordnen, an deren Spitze Björn Höcke steht. Der Flügel stellt für den Verfassungsschutz einen Verdachtsfall für rechtsextreme Bestrebungen dar. Zur gleichen Organisation gehört Dubravko Mandic, der mehrfach öffentlich mit Rechtsextremismus-Vorwürfen konfrontiert wurde. In seiner bei YouTube veröffentlichten Rede in Schloß Holte-Stukenbrock sprach er von „Massenmigration“ und „Genderismus“ und verglich diese mit einer „Antiimmunerkrankung“ und einer „inneren Aushöhlung und Zersetzung“, die zu bekämpfen sei. Unschlagbar sei man, wenn man an die „gemeinsame Sache“ glaube und nahm Bezug auf die rechtsextreme „Identitäre Bewegung“.

In weiteren Reden wird versucht, eine „deutsche Identität“ mit historischen Gegebenheiten und Persönlichkeiten wie zum Beispiel Hermann dem Cheruskerfürsten – an den, beziehungsweise dem Denkmal im unweit entfernten Detmold, man sich mit dem Namen „Hermannstreffen“ anlehnt – zu begründen und hervorzuheben. In der Rede von Mandic geht diese Zeitreise sogar bis zurück in die Bronzezeit.

Besucher aus ganz Deutschland

Die Teilnehmer der Veranstaltung waren aus dem gesamten Bundesgebiet angereist, ein Großteil aus Nordrhein-Westfalen. Auch Personen aus den Reihen der ostwestfälischen AfD-Kreisverbände hatten sich zum „Hermannstreffen“ in dem Autobahn-nahen Hotel Schniedermann eingefunden, darunter beispielsweise Karl-Heinz Tegethoff aus Paderborn, der den Referenten Armin-Paul Hampel in Empfang nahm.

Zum letztjährigen „Hermannstreffen“, das weniger als zehn Kilometer entfernt in einer Gaststätte in Augustdorf stattfand, hatte der „Alternative Kulturkongress“ unter anderem Björn Höcke eingeladen, sowie Gianluca Savioni von der italienischen Rechtsaußenpartei Lega. In diesem Jahr waren weniger hochkarätige Referenten angekündigt, was der Grund für die etwas geringere Besucherzahl als im Vorjahr sein kann. Das „Hermannstreffen 2018“ stand unter dem Thema „Das wahre Europa“ und war ebenso konspirativ ohne genauen Veranstaltungsort beworben worden. Am Ende des Treffens 2018 wurde von den Referenten ein so genanntes „Europa-Manifest“ unterzeichnet, ob es bei dieser Veranstaltung ein ähnliches „Resultat“ gab, ist noch unbekannt.

Metalldetektoren, Security und Provokationen

Vor Ort zeigten sich die Veranstalter trotz geheim gehaltenem Veranstaltungsort vorsichtig: Mehrere Sicherheitsleute waren vor dem Eingang postiert, es wurde beim Einlass ein Metalldetektor verwendet, mit dem ankommende Besucher durchsucht worden. Als sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine Gruppe von circa einem Dutzend Demonstranten zu einem spontanen Gegenprotest versammelte, riefen die Veranstalter die Polizei und die Besucher zückten sofort zahlreiche Handys und Kameras, um Fotos zu machen. Einige zeigten sich provozierend und hämisch grinsend, es wurde in Richtung anwesender Journalisten gepöbelt und mit Anzeigen gedroht. Der Gegenprotest verlief friedlich und ein Großteil davon löste sich nach Beginn der Veranstaltung auf.

bericht aus bnr.de vom 13.12.2019 von: Linda Janssen