AfD-Parteitag: Kritik an Ausschlussverfahren


102 Seiten umfasst das Antragsbuch, das Ende des Monats beim Bundesparteitag der AfD in Braunschweig auf den Tischen der Delegierten liegen wird. Der rechte Flügel übt Kritik am Parteivorstand und an der Unvereinbarkeitsliste.

Die 102 Seiten vermitteln abseits satzungsrechtlicher Formalien einen Eindruck, mit welchen Problemen sich die Partei aktuell herumquält. Da geht es um die Abgrenzung nach noch weiter rechts, die manchen zu schroff erscheint.

Andere stoßen sich an den Ausschlussverfahren, die sich vornehmlich gegen das rechtere Lager der AfD richten. Wieder andere wollen verhindern, dass zwischenzeitlich ausgetretene (Ex-)Anhänger von AfD-Mitbegründer Bernd Lucke wieder in die Partei aufgenommen werden. Kritik wird an der Verschiebung des „Sozialparteitags“ geübt. Einige Mitglieder wollen, dass Funktionäre finanziell bluten sollen, wenn wegen ihres Umgangs mit fragwürdigen Spenden der AfD ein finanzieller Schaden entsteht.

Unterstützung für „Identitäre“

Offen ist, ob es die konfliktträchtigen Anträge am Ende tatsächlich auf die Tagesordnung schaffen werden. Eine geschickte Parteitagsregie kann das verhindern. Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte der AfD-Parteitage, wenn allzu Kontroverses gleich bei der Diskussion über die Tagesordnung ausgeklammert würde.

Derart kontrovers diskutiert werden dürfte unter anderem ein Antrag, der die „Identitäre Bewegung“ aus der Unvereinbarkeitsliste der Partei gestrichen sehen will. „Die Identitäre Bewegung Deutschlands besteht aus vielen jungen Patrioten, die sich, genau wie die AfD aus Sorge vor der Zukunft Deutschlands gegründet hat“, schreiben die Antragsteller. Die Beobachtung der IB durch den „sog. Verfassungsschutz“ sei rein willkürlich. Sie sei niemals gewalttätig gewesen und dürfe nicht „stigmatisiert“ werden, solange sie weiterhin friedlich ihre politischen Botschaften transportiere.

Unvereinbarkeitsliste umstritten

Noch weiter gehen die Autoren eines anderen Antrags. Sie wollen die Unvereinbarkeitsliste gleich komplett streichen. Sie sei „ein Satzungs-Relikt aus der Lucke-Zeit“. Durch ihre bloße Existenz habe sie zu vielen Streitigkeiten in der Partei geführt. „Durch unausgegorene, viel zu schnell beantragte und letztlich erfolglose Parteiausschlussverfahren mit Berufung auf diesen Satzungspassus kam es zu starken Verwerfungen in der Partei, die uns immer noch lähmen.“ Es habe „vielen unserer Wähler vor den Kopf gestoßen, dass gewaltfreie, patriotische Organisationen von ,der AfD‘ als ,extremistisch‘ gelistet werden, nur weil sie dem Mainstream, dem sog. ,Verfassungsschutz‘ und dem Zeitgeist nicht entsprechen“. Auch den gewünschten Erfolg in den Medien habe die Unvereinbarkeitsliste niemals gebracht. Die AfD solle selbstbewusst genug sein, sie abzuschaffen, empfehlen die Antragsteller: „Letztlich würde es dem inneren Frieden nutzen.“

Verschärft sehen wollen einige Delegierte die Voraussetzungen für den Ausschluss von Parteimitgliedern. In einem Antrag wird gefordert, dass ein Ausschlussantrag des Vorstands nicht mehr ausreichen soll. „Alle Ordnungsmaßnahmen, die zu einem Parteiausschluss führen können, müssen auf Mitgliederebene des betreffenden Kreises, Landes- oder Bundesebene abgestimmt werden“, heißt es in ihrem Vorschlag für eine Satzungsänderung. Ein solcher „Mitgliederentscheid“ habe „eine regulative, hemmende und deshalb vernunfteinflößende, positive Wirkung“. Die Autoren sind offenbar der Meinung, dass Vorstände zu häufig zum Instrument des Ausschlussverfahrens greifen. Sie fürchten, dass dadurch „unbequeme Mitglieder gebeugt oder ausgeschlossen werden, das hohe Gut der innerparteilichen Demokratie vernachlässigt wird, das Zusammengehörigkeitsgefühl empfindlich gestört wird, ein Klima der Angst entsteht vor einer eigenen, eventuell abweichenden Meinung“.

Ämtersperre bei gescheiterten Ausschlussverfahren

„Viele Mitglieder in Vorständen benutzen aktuell amtsmissbräuchlich ein Parteiausschlussverfahren, um unliebsame Parteifreunde oder innerparteiliche Rivalen öffentlich zu diskreditieren, wohlwissend, dass das PAV niemals Erfolg hat“, klagen auch die Autoren eines weiteren Antrags. Sie verlangen: „Jedes Vorstandsmitglied des Verbandes oder einer Untergliederung, das für einen Antrag zum Parteiausschluss eines Mitgliedes stimmt, welcher von einem Parteischiedsgericht oder vor einem ordentlichen Gericht zu einem späteren Zeitpunkt endgültig abgelehnt wird, verliert sein Amt mit sofortiger Wirkung und darf für 5 Jahre keine Vorstandsämter mehr in der Partei besetzen.“ Der durch „amtsmissbräuchliche“ Ausschlussverfahren entstehende Schaden für die Gesamtpartei sei immens. Die daraus resultierenden persönlichen Feindschaften und Spaltungen seien unkontrollierbar. Sie würden „parteizersetzend“ wirken und langfristig in die politische Bedeutungslosigkeit führen. Derlei „Amtsmissbrauch“ müsse per Satzung hart sanktioniert werden.

Vom Misstrauen insbesondere gegenüber dem Bundesvorstand zeugen auch drei weitere Anträge. Die Kreisvorstände Alzey-Worms und Kitzingen wollen, dass ehemalige Mitglieder der Lucke-Parteien „Liberal-Konservative Reformer“ (LKR) und „Allianz für Fortschritt und Aufbruch (Alfa) grundsätzlich nicht in die AfD aufgenommen werden. (bnr.de berichtete) Führende Vertreter von LKR und Alfa hätten „immer wieder pointiert und verleumderisch Position gegen die AfD bezogen“. Sie, aber auch einfache Mitglieder hätten in der Vergangenheit „deutlich gemacht, dass sie weder die Disziplin noch die Loyalität zur AfD besitzen, um konstruktive Mitglieder der AfD zu sein“, meinen die beiden Vorstände aus Rheinland-Pfalz und Bayern.

Ärger wegen abgesagtem „Sozialparteitag“

Gleich zwei Anträge beschäftigen sich mit dem eigentlich in diesem Jahr vorgesehenen, dann aber abgesagten „Sozialparteitag“, bei dem es insbesondere um die Rentenpolitik gehen sollte. (bnr.de berichtete) Wie Bundessprecher Jörg Meuthen unlängst ankündigte, soll der Parteitag nun im kommenden April stattfinden. In einem der Anträge wird verlangt, über die insbesondere von „Flügel“-nahen Teilen der AfD kritisierte Verschiebung eine „klärende Aussprache“ in Braunschweig zu führen.

Mit dem zweiten Antrag soll der Bundesvorstand formal verpflichtet werden, „einen zweitägigen Bundesparteitag zum Thema ,Arbeits- und Sozialpolitik einschließlich Rentenpolitik‘ einzuberufen, der im ersten Halbjahr 2020 stattzufinden hat“. Der Bundesparteitag soll beschließen, „dass der Bundesvorstand nicht berechtigt ist, von diesem verbindlichen Handlungsauftrag abzuweichen“. Das entscheidende Organ der AfD sei die Basis, vertreten durch den Bundesparteitag – „nicht der Bundesvorstand und auch nicht der Konvent“. Es könne keine Entschuldigung geben, eine Positionierung der AfD zu diesem wichtigen Thema länger hinauszuzögern. 

Spendensünder sollen persönlich haften

Auch die Frage möglicherweise illegaler Spenden beschäftigt Delegierte. Ein Antrag könnte insbesondere Jörg Meuthen, Alice Weidel und Guido Reil besonders nervös machen. Die Antragsteller wollen, dass sich die AfD zum Verursacherprinzip bekennt: „Wer vorsätzlich durch schuldhaftes Finanzgebaren die Partei zu Strafzahlungen zwingt oder von staatlichen Geldzuwendungen abhält, muss persönlich dafür haften.“ Eine grundsätzliche Vergemeinschaftung von Schulden und Strafzahlungen „durch das nachweislich selbstverschuldete Verhalten Einzelner“ lehne die AfD ab.

Der Satzungsausschuss und mit ihm AfD-Bundesschatzmeister Klaus Fohrmann streben hingegen eine Änderung der Finanz- und Beitragsordnung an. Sie würde nach ihren Vorstellungen künftig vorsehen, dass Landes-, Kreis- und Ortsverbände gegenüber der Bundespartei haften, „wenn sie durch ein von ihnen zu vertretendes Fehlverhalten Maßnahmen aufgrund des Parteiengesetzes verursachen, die von dem Präsidenten des Deutschen Bundestages oder einer gesetzlich sonst zuständigen Stelle gegen die Bundespartei ergriffen wurden“.

Mit ziemlicher Sicherheit dürfte es ein Antrag des Bundesvorstands auf die Tagesordnung schaffen. Der Vorstand will, dass in der Satzung ein Ehrenvorsitzender neu verankert wird. Der erste Kandidat für dieses Amt steht wohl auch schon fest: Alexander Gauland, der mit seinen fast 79 Jahren zwar nicht in der Bundestagsfraktion, aber in der Partei amtsmüde geworden ist und sein Sprecheramt abgeben will.

Bericht aus: Blick nach Rechts vom 19.11.2019 Autor: Rainer Roeser