Morddrohungen, Beleidigungen, ungezügelter Hass: Das Internet scheint zu einem Nährboden für Hetze und Rechtsextremismus zu werden. Dagegen will die Bundesregierung mit einem Aktionsplan gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität angehen.
Die Bundesregierung will nach dem Anschlag auf die jüdische Gemeinde in Halle entschlossen gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität kämpfen. Das Kabinett hat deshalb einen Neun-Punkte-Plan beschlossen. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) sagte nach dem Kabinettstreffen in Berlin: „Die schrecklichen Vorkommnisse in diesem Jahr gegenüber Walter Lübke, der Anschlag in Halle machen uns alle bestürzt– aber bei dieser Bestürzung darf es nicht stehen bleiben.“
Mit Blick auf die sehr schnell nach dem Anschlag in Halle erarbeiteten Vorschläge betonte sie, „es sei gut, dass wir uns auf ein maßvolles, aber sehr notwendiges Maßnahmenpaket verständigt haben, mit dem wir auf diese furchtbaren Vorfälle reagieren wollen“. Es könne nicht sein, dass in diesem Land Hass und Hetze einen Nährboden haben und dadurch unglaubliche Entwicklungen zu verzeichnen seien. Der Beschluss umfasst Aspekte für mehr Schutz und Sicherheit, aber auch für mehr Prävention: So soll für Demokratieförderung im Rahmen des Programms „Demokratie leben!“ von 2020 bis 2023 jedes Jahr mindestens 115 Millionen Euro bereitgestellt werden, kündigte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) an.
Meldepflicht für Internet-Provider
Lambrecht will Hasskriminalität im Internet entgegentreten, indem das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) verschärft wird. Es soll eine Meldepflicht für Plattformbetreiber an das Bundeskriminalamt geben. Gegenwärtig müssen die Betreiber Posts mit strafbaren Inhalten sperren oder löschen. Jetzt soll es einen Schritt weiter gehen: „Wir wollen die Möglichkeit haben, dagegen auch mit dem Strafrecht vorzugehen“, so die Ministerin.
So sollen etwa Morddrohungen und Volksverhetzungen an eine besondere Stelle des BKAs weitergeleitet werden, damit die Beamten ermitteln können. „Es muss klar sein: Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Die Meinungsfreiheit im analogen und digitalen Raum hat ihre Grenze da, wo das Strafrecht beginnt“, machte Lambrecht deutlich.
Strafgesetzbuch wird verschärft
Weiter sollen Regeln im Strafgesetzbuch (StGB) verschärft und erweitert werden. In dem Beschluss heißt es: „Das betrifft vor allem die Aspekte der Aufforderung zu Straftaten oder der Billigung oder Verharmlosung von Straftaten. Den Tatbestand der Beleidigung werden wir an die Besonderheiten des Netzes anpassen. Dabei berücksichtigen wir insbesondere dessen unbegrenzte Reichweite und die aufgrund vermeintlicher Anonymität oft sehr aggressive Begehungsweise.“ Die Regierung wolle Beleidigungen, die in einem öffentlichen Raum wie dem world wide web durchgeführt werden, besonders unter Strafe stellen, erläuterte Lambrecht.
Mehr Schutz von Kommunalpolitikern
Ein wichtiges Anliegen ist darüber hinaus, den Schutz von Kommunalpolitikern und Kommunalpolitikerinnen zu verbessern. Dafür soll Paragraf 188 Strafgesetzbuch angepasst werden. Hier geht es um üble Nachrede und Verleumdungen gegen Personen des öffentlichen Lebens. Auf kommunaler Ebene engagierte Personen fallen bisher nicht darunter – anders als Bundes- oder Landespolitiker.
Doch das soll sich ändern, kündigte die Justizministerin an: In vielen Gesprächen mit Kommunalen ist der sozialdemokratischen Ministerin deutlich geworden, dass der Rechtsstaat ganz besonders gefordert ist: „Die vor Ort bekommen unglaublich viele Bedrohungen und Hetze ab, weil eben bekannt ist, wer ist der Bürgermeister, wer ist politisch aktiv“. Wohnort, Schule der Kinder – all das sei bekannt. „Das ist eine besondere Bedrohungslage“, betonte die Ministerin.
Darüber hinaus soll auch das Recht der Melderegister angepasst werden, um bedrohte Personen besser zu schützen, und der strafrechtliche Schutz der Paragrafen 113 StGB soll auf Notärzte und Sanitäter ausgeweitet werden. Auch das Waffen- und Sprengstoffrecht werde geschärft, wie Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) ankündigte.
Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität
Nachhaltige Präventionsprogramme
Bereits Anfang des Jahres 2019 hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eine eigene Abteilung für Engagement und Demokratieförderung aufgebaut. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey betonte, dass sie ein großes Interesse daran habe, dass die Bundesprogramme zu Demokratieförderung und Extremismusprävention gestärkt werden. „Was viele Engagierte tagtäglich vor Ort für Demokratie, gegen Hass und Gewalt leisten, braucht noch mehr strukturelle und finanzielle Absicherung. Demokratieförderung und Extremismusprävention ist nichts, was man mal macht und dann wieder lässt, sondern sie ist eine Daueraufgabe“, so Giffey.
Sie denke insbesondere an das Programm „Demokratie leben!“, dass in ihrem Ministerium angesiedelt ist, aber auch an „Zusammenhalt durch Teilhabe“ des Innenministeriums sowie an alle Maßnahmen der politischen Bildung. Für diese Programme forderte Giffey eine nachhaltige finanzielle Förderung. Konkret kündigte sie an, dass das Programm „Demokratie leben“ weiter jedes Jahr mit mindestens 115 Millionen Euro bis zum Jahr 2023 finanziert wird, also mit mindestens 460 Millionen Euro.
Karin Billanitsch • 30. Oktober 2019 Artikel aus: https://www.vorwaerts.de