Rund 300 Menschen demonstrieren für den Erhalt des Steins. SPÖ fordert alle Parteien auf, den Stein am jetzigen Standort stehen zu lassen.
Braunau am Inn – Im Schatten des gelben Hauses in der Salzburger Vorstadt in Braunau haben sich rund 300 Menschen eingefunden. Die meisten tragen Masken. Der Mahnstein vor dem Geburtshaus von Adolf Hitler ist gesäumt von Schirmen und Sesseln, auf denen die Omas gegen Rechts Platz genommen haben. Dort wo der Gedenkstein steht, soll er auch bleiben – dafür setzen sich die Teilnehmer der Kundgebung ein.
„Wir wehren uns gegen das Neutralisieren der Geschichte und gegen das Vergessen“, sagt Stadtrat Wolfgang Grabner-Sittenthaler von der SPÖ Braunau, die die Kundgebung organisiert hat. Der Gemeinderat habe über den Verbleib des Steines zu entscheiden. „Wir benötigen keine Zurufe von außen“, zitiert Grabner-Sittenthaler aus einem offenen Brief an das Innenministerium. Die SPÖ fordert alle Parteien im Gemeinderat und Bürgermeister Johannes Waidbacher (ÖVP) auf, sich für den bedingungslosen Verbleib des Mahnsteines auf dem seit 31 Jahren bestehenden Standort einzusetzen. Dafür sei auch keine Arbeitsgruppe notwendig.
Der Vorschlag aus dem Innenministerium, den Mahnstein im „Haus der Geschichte“ in Wien unterzubringen, sorgte für einen Aufschrei, wie der STANDARD berichtete. Worauf das Ministerium zurückruderte und nur von einer Variante sprach. Die Expertenkommission habe in ihrem Gutachten vorgeschlagen, den Stein vom Ort zu entfernen. Entscheiden müsse das aber die Stadt. Der Stein mit der Aufschrift „Für Frieden, Freiheit und Demokratie – Nie wieder Faschismus – Millionen Tote mahnen“ ist 1989 auch von der Stadt Braunau aufgestellt worden.
Redner gegen Geschichtsneutralisierung
Auch damals gab es „eine heftige und harte öffentliche Debatte“, erinnert Robert Eiter vom oberösterreichischen Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus bei seiner Rede. Das Neutralisieren und „Braunau von Wien aus zu enthitlern“ (Ludwig Laher in einem Kommentar der Anderen) funktioniere aber nicht. „Rechtsextreme und Neonazitouristen werden die Adresse nicht vergessen“, betont Eiter. Er fordert Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) auf, den nationalen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus in Angriff zu nehmen, statt einen antifaschistischen Mahnstein verschwinden zu lassen.
„Dieser Ort kann und darf nicht geschichtsneutralisiert werden“, sagt Nationalratsabgeordnete Sabine Schatz (SPÖ). Geschichte könne nicht neutralisiert werden, das würde bedeuten, sie auszublenden, oder zu vergessen. Die Geschichte sei auch nicht mit 1945 abgeschlossen, Braunau sei bis heute ein Treffpunkt für Rechtsradikale. „Wir müssen Rechtsextremismus benennen und politische Maßnahmen umsetzten“, erklärt Schatz.
Susanne Scholl kam mit einigen Omas gegen Rechts zu der Kundgebung und fragt in ihrer Rede: „Wie kann es sein, dass wir 2020 darauf bestehen müssen, dass dieses Mahnmal bleibt?“ Für sie als Jüdin sei es ein persönliches Anliegen. „Es ist unerträglich, dass wir die Lüge des ersten Opfers und jener der Stunde Null so verinnerlicht haben.“ Das Gedankengut sei auch nach 1945 nicht verschwunden und wurde von den Menschen auch an deren Kinder und Enkel weitergegeben. Es gebe in Österreich zu wenig echte Geschichtsaufarbeitung.
Neue Empfehlungen vom Ministerium
Auch die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde in Salzburg Hanna Feingold richtete Grußworte aus: Die Zeit sei noch nicht reif, solch eine Mahnung zu entfernen. „Es sollten viel mehr Steine für Frieden und Demokratie aufgestellt werden“, schreibt Feingold. Auch die jüdischen österreichischen HochschülerInnen sprechen sich dafür aus, dass der Gedenkstein vor dem Geburtshaus bleiben muss.
Am Donnerstag trifft sich der Braunauer Gemeinderat zu einer Sitzung, wo der Gedenkstein voraussichtlich Thema wird. Zuvor hat der Bürgermeister noch Post aus dem Innenministerium bekommen, mit weiteren Empfehlungen, berichten die Oberösterreichischen Nachrichten. Demnach soll der Stein zwar in Braunau verbleiben, aber an einer anderen zentralen Örtlichkeit im Stadtgebiet aufgestellt werden. Die Expertengruppe des Ministeriums empfiehlt den Braunauern auch, die Aufschrift des Mahnsteins zu ergänzen. Es fehle ein Hinweis auf die politische Mitverantwortung der österreichischen Gesellschaft an den Verbrechen des Nationalsozialismus.
Quelle: derstandart.at von: Stefanie Ruep, 04.07.2020