Polizei: Konzept zum Schutz der Demokratie


von Stefan Schölermann

„Polizeischutz für die Demokratie“ – so heißt ein Programm, mit dem sich Niedersachsens Polizeibehörden besser aufstellen wollen gegen Angriffe, aber auch Anbiederungsversuche von Rechtsextremisten und Rechtspopulisten. Der Startschuss für das gleichnamige Konzept der Polizeiakademie Niedersachsen fiel am Freitag in Bad Nenndorf (Landkreis Schaumburg). „Die Polizei in Niedersachsen braucht keine Nachhilfe in Demokratie. Sie genießt das Vertrauen der Bevölkerung und dieses Vertrauen besteht zu Recht“, sagte Innenminister Boris Pistorius (SPD) vor rund 300 Führungskräften der niedersächsischen Polizei in der Kurstadt. Es gehe aber darum, die Kompetenz der Beamten angesichts der immer massiver werdenden Bedrohungen der freiheitlichen Gesellschaft zu stärken und stetig weiterzuentwickeln.

Speziell geschulte Beamte für jede Polizeiinspektion

Hinter dem Konzept stehen unter anderem Schulungen für die Beamten in den Dienststellen, die von der Polizeiakademie in Zusammenarbeit mit dem Landesdemokratiezentrum und dem Verein „Gegen Vergessen. Für Demokratie“ entwickelt werden. Außerdem solle es in jeder Polizeiinspektion Niedersachsens zwei Beamte geben, die in diese Thematik besonders eingearbeitet werden und die in Konfliktfällen ihren Kollegen beratend zur Seite stehen sollen.

Konflikt zwischen AfD und Polizeipräsident

Der Oldenburger Polizeipräsident Johann Kühme hatte Äußerungen von AfD-Politikern als „sprachliche Entgleisungen“ bezeichnet. (Archivbild)

Einen solchen Konfliktfall lieferte am Freitag zum Auftakt des Programms die AfD-Landtagsfraktion: Sie hatte in einer Presseerklärung den Präsidenten der Polizeidirektion Oldenburg, Johann Kühme, angegriffen. Hintergrund: Kühme hatte sich in einer öffentlichen Veranstaltung mit den viel kritisierten Äußerungen der beiden AfD-Spitzenpolitiker Alice Weidel und Alexander Gauland auseinandergesetzt. Weidels Worte von „Kopftuchmädchen“ und „Messermännern“ sowie Gaulands berüchtigtes „Vogelschiss“-Zitat hatte Kühme als „sprachliche Entgleisungen“ bezeichnet. Diese Äußerungen nährten Hass und Hetze, die die Polizei nicht hinnehmen könne. Er schäme sich als Deutscher für die Äußerungen von Weidel und Gauland.

Für die AfD aber war damit offenbar der Rubikon überschritten: „Dass Kühme seine Neutralitätspflicht als Beamter so sträflich missachtet, darf nicht ohne Konsequenzen bleiben. SPD-Innenminister Pistorius ist dringend gefordert, den Sachverhalt zu klären und gegebenenfalls mit disziplinarischen Maßnahmen zu reagieren“, hieß es in der Presseerklärung der Partei.

Innenminister unterstützt Kühme

Innenminister Boris Pistorius (SPD) lobte das Verhalten des Oldenburger Polizeipräsidenten.

Für Pistorius war das in Bad Nenndorf eine willkommene Vorlage: Demonstrativ stärkte er seinem Beamten den Rücken. „Ein Polizeipräsident, der die Dinge beim Namen nennt, ist ein guter Polizeipräsident. Ein Polizeipräsident, der mit belegbaren Zitaten deutlich macht, wie die AfD sich lächerlich macht, ist ein guter Polizeipräsident“, sagte Pistorius. Dafür erhielt er stürmischen Beifall der in der Regel eher zurückhaltenden Polizeibeamten.

„Hass kann zu Hetze führen, Hetze kann zu Gewalt führen“

Kühme selbst sagte dem NDR in der Kurstadt, dass er von seinen Äußerungen nichts zurückzunehmen habe: „Sprache kann Hass schüren, Hass kann zu Hetze führen und Hetze kann zu Gewalt führen.“ Davor habe er warnen wollen, so der Oldenburger Polizeipräsident. Rückenwind für Kühme gab es auch von Dietmar Schilff, dem Landesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei (GdP). „Man muss in dieser Frage Haltung zeigen“, betonte er. „Und genau das muss nach außen auch deutlich gemacht werden.“

Für den Innenminister ist der „Fall Kühme“ damit offenbar erledigt, nicht so der „Fall AfD“. „Das Recht, alles sagen zu dürfen, bedeutet nicht, dass einem dafür automatisch auf die Schulter geklopft wird. Das haben die Leute von der AfD noch nicht kapiert“, so Pistorius.

Warnung vor Gefahren für die Demokratie

Viel war bei der Tagung in Bad Nenndorf von Geschichte die Rede, von der Weimarer Republik und von aktuellen Gefahren für die Demokratie. „Geschichte wiederholt sich nicht im Detail. Die Bundesrepublik ist nicht Weimar. Aber niemand kann heute sagen, dass er nicht wisse, was Faschismus bedeutet“, sagte Pistorius vor dem Hintergrund des wachsenden Selbstbewusstseins im extrem rechten Lager und im Lager der Rechtspopulisten. Ähnlich mahnte Dirk Götting, Leiter der Forschungsstelle für Polizei- und Demokratiegeschichte, in seinem Vortrag zum Ende der Weimarer Republik: „Unsere Demokratie wird keine Revolution erleben. Sie wird immer nur eingeschränkt oder abgeschafft von Demokraten.“ Videos

Quelle: https://www.ndr.de vom 15.11.2019