Digitaler Rechtsextremismus

Von Armn Pfahl-Traughber 30.03.2020 –

Das Internet bietet für die extreme Rechte vielfältige Möglichkeiten zur Ideologisierung, Propagierung und Radikalisierung.

Rechtsextremes Gedankengut nur einen Mausklick entfernt; (Screenshot, Verlagsseite)

Wenn früher ein rechtextrem Eingestellter mit rechtsextremistischen Organisationen in Verbindung treten wollte, setzte dies doch einen gewissen Aufwand an Betätigung und Zeit voraus. Man musste Veranstaltungen besuchen, man musste Zeitungen kaufen. Durch das Internet ist all dies nur einen Mausklick entfernt, das heißt es besteht eine direkte Kontaktmöglichkeit zu einschlägigen Organisationen. Diese Dimension steht für ganz andere Formen von Ideologisierung, Propagierung und Radikalisierung. Ein allgemeines Bewusstsein darüber scheint aber erst durch Einzeltäter im Rechtsterrorismus aufzukommen, haben diese sich doch nicht selten über das Internet in die Richtung ihrer Taten entwickelt. Welche Bedeutung darüber hinaus das Internet für den Rechtsextremismus insgesamt hat, thematisiert die freie Journalistin Karolin Schwarz in ihrem Buch „Hasskrieger. Der neue globale Rechtsextremismus“. Es trägt somit einen etwas schiefen oder unzutreffenden Titel, geht es darin doch eben um den digitalen und nicht um den kompletten Rechtsextremismus.

„Lose Bündnisse über nationale Grenzen hinweg“

Die angesprochene Dimension wird bereits im Vorwort hervorgehoben: „Rechte undRechtsradikale treffen sich schon längst nicht mehr nur bei konspirativen Treffen, Konzertenoder Demonstrationen. Sie treten im Internet ganz offen auf und schließen lose Bündnisseüber nationale Grenzen hinweg“ (S. 8). Was das konkret bedeutet, wird danach ausführlich beschrieben. Das Buch versteht sich indessen nur als „Momentaufnahme“, will es doch nur einen gerade aktuellen „Einblick in ein globales, rechtsradikales Ökosystem“ (S. 11) geben, womit ein etwas schiefer Begriff benutzt wird. Zunächst geht die Autorin auf die Geschichte der Nutzung des Internet durch Rechtsextremisten ein und erinnert dabei etwa an Mailbox oder Usenet. Danach behandelt sie kurz die Akteure, also Gruppierungen und Parteien, aber auch eigene Influencer. Ein erstes ausführlicheres Kapitel spricht danach die Strategie und Vorgehensweise an, wobei Desinformation, Emotionalisierung, Feindbilder, Opferstatus und Umdeutungen im Zentrum stehen.

Expertise über technische Zusammenhänge

Welche technischen Mittel dabei genutzt werden, bildet dann den nächsten thematischen Schwerpunkt. Hier geht es um Alt-Tech, Darc Social, Online-Games und Social Media-Plattformen. Der Finanzierung wurde dabei ein besonderes Unterkapitel gewidmet, dies kann auch viele Anregungen für Gegenstrategien liefern. Und dann findet man noch ein ausführlicheres Kapitel zum Terrorismus, was insbesondere auf das Einzeltäter- beziehungsweise „Lone Actor“-Phänomen zugeschnitten ist. Die Autorin referiert hier mit Erkenntnissen aus der englischsprachigen Forschung, etwa zu „Normalisierung“, „Akklimatisierung“ und „Dehumanisierung“ als kognitive Phasen eines solchen Prozesses (vgl. S. 172). Auch der „Akzelerationismus“ (vgl. S. 174f.), ein ursprünglich linker Ansatz zur Gesellschaftsveränderung, wird in diesem Kontext thematisiert. Und schließlich fragt die Autorin noch nach Gegenstrategien, wobei sie Internetkonzerte, Justiz, Medien, Politik und Zivilgesellschaft jeweils gesondert anspricht.

Bei einem Buch zu Extremismus und Internet ist immer auch bedeutsam, wer dies aus welchem thematischem Blickwinkel schreibt. Ist es ein Extremismusforscher oder ein Internetspezialist? Die Expertise von Schwarz kommt aus dem letztgenannten Zusammenhang. Dies merkt man bereits an der etwas unklaren und wechselnden Begriffsnutzung, geht es doch mit „rechts“, „rechtsextremistisch“ und „rechtsradikal“ oder „Terror“ und „Terrorismus“ etwas durcheinander. Ein Extremismusforscher hätte demgegenüber wohl Probleme mit den technischen Zusammenhängen. Berücksichtigt man diesen Gesichtspunkt, kann das Buch mit Gewinn gelesen werden. Es beschreibt anhand von Details das jeweils Gemeinte anschaulich und sachkundig. Auch und gerade das Kapitel zur Radikalisierung von Terroristen ist dabei bedeutsam. Hier und da hätte man sich eine allgemeine Einschätzung zur Relevanz, die über wenige Sätze hinausgeht, gewünscht. Gleichwohl liegt ein informatives Buch zu einem überaus relevanten Thema vor. Karolin Schwarz, Hasskrieger. Der neue globale Rechtsextremismus, Freiburg 2020 (Herder-Verlag), 224 Seiten, 22,– Euro.

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