Lesung mit Jürgen Gückel

»Onkel Fritz ist zurück aus Frankreich – im Zinksarg!«
Mit dieser Szene aus dem Oktober 1954 beginnt die Biografie des deutschen SS-Offiziers und Auschwitz-Kommandanten Friedrich »Fritz« Hartjenstein. Dreimal wurde er für seine Taten zum Tode verurteilt. Nach neun Jahren Haft in Frankreich wurde er 1954 begnadigt. Wenige Stunden nach der Entlassung aus der Haft starb er in Paris.

Friedrich Hartjenstein, gebürtig aus Peine, war von November 1943 bis Mai 1944 Kommandant des KZ Auschwitz-Birkenau und von Mai 1944 bis Januar 1945 des KZ Natzweiler-Struthof und dessen sich über ganz Baden-Württemberg und darüber hinaus erstreckendem Außenlagersystem.

Wie kommt es, dass Peiner Gymnasiastinnen oder Rentnerinnen aus der Gedenkstätte Auschwitz heimkehren, tief betroffen über das, was „die Nazis“ angerichtet haben, aber kein Wort davon gehört haben, dass es ein Sohn ihrer Stadt war, der das alles befehligte?

Auch in Hartjensteins Familie wurde verdrängt und fast vergessen. Der Journalist Jürgen Gückel rekonstruierte nun Hartjensteins Lebensweg. Und er legt die Verblendungen in familiären und politischen Erzählungen in der bundesdeutschen Nachkriegsgesellschaft frei, in der die Naziverbrechen so intensiv beschwiegen wurden, dass Selbstgerechtigkeit Platz greifen konnte.

Jürgen Gückel ist Journalist und Autor. Er war fast vier Jahrzehnte als Redakteur und Korrespondent für Zeitungen der Madsack-Gruppe tätig und arbeitete zuletzt 23 Jahre lang als Polizei- und Gerichtsreporter des Göttinger Tageblattes. Für seine Arbeiten ist er vielfach ausgezeichnet worden. Er deckte u.a. den Transplantations-Skandal am Universitäts- Klinikum Göttingen auf und wurde dafür zusammen mit Kolleg*innen der Süddeutschen Zeitung und der Taz mit dem Wächterpreis des Verbandes der Deutschen Zeitungsverleger geehrt.